Ich hab' ein Rad ab! :-)

Ich bin in Kautokeing eingetroffen, unterdessen auch schon frisch geduscht, und vom Schmutz und Schweiss des Tages befreit. Obwohl Regen angesagt war, hat die Sonne heute heftig runter gebrannt und mich ganz schön zum Schwitzen gebracht. Jetzt ziehen aber einige Wolken auf, und es wird wohl Regen geben.

Vorhin habe ich noch meine letzten norwegischen Kronen zusammengesucht, um mir Proviant zu kaufen und bevor ich nun noch eine Kleinigkeit esse, und mir einen Schlafplatz suche, sammle ich kurz meine Gedanken des Tages zusammen, um ein kleines Voicemail für Euch aufzunehmen.

 

Es gibt Dinge, von denen ahnt man einfach, dass sie einmal kommen würden. Schon seit ich am 22.Mai in Riksgränsen die Grenze von Schweden zu Norwegen überquert habe und schlagartig mit einer schlechten Löcherpiste als Strasse konfrontiert wurde, ist dieses Gefühl in meinem Bauch. Dieses Gefühl, dass mein Velomobil diese vielen Schlaglöcher wohl nicht auf ewig verkraften würde, und es dafür einfach nicht gebaut ist. Obwohl ich mich mit dem Geraunzel zurückhielt, war die Sorge omnipräsent, ob ich es wohl überhaupt ans Nordkap schaffe, mit meinem „Grattele“ (wie es meine Verwandten liebevolle genannt haben). Das Nordkap habe ich erreicht, und so ist vor drei Tagen ein wenig von diesem Druck abgefallen, aber das Gefühl begleitete mich ständig.

 

Und nun ist es also passiert, am Samstag, 07. Juni, am späteren Vormittag, so um 11:00h, ist mir das vordere linke Rad heruntergebrochen.

Dort wo das Rad über die Fiberglas-Karbonschale befestigt ist, ist die Verbindung ausgerissen. Und natürlich passiert sowas auch mitten in der Pampa. Es wäre ja wie eine Suppe ohne Salz, wenn das in der Stadt, auf einer gut befahrenen Strecke, oder zumindest nah einem Dorf passieren würde.

 

Nachdem ich mich wieder ein wenig gesammelt hatte, mich selber beschworen habe, ruhig zu bleiben und nicht aufzugeben, musste also ein Plan her. Ich schleppe seit dem Südtirol eine Grundausstattung an Werkzeugen mit mir durch die Gegend. Aber natürlich kann ich mit Zubehörmaterialien nicht aus dem Vollen schöpfen. Schon gar nicht wird es mir gelingen, das Fiberglas irgendwie zu reparieren. Ich muss also eine metallene Verbindung „erfinden“. Eigentlich ist das ja meine liebste Beschäftigung,… an irgendwas rumzutüfteln, und Lösungen für technische Probleme zu finden. Allerdings hat man Zuhause eine grosse Menge an Werkzeugen und einen Baumarkt in der Nähe. Hier musste ich mit dem was ich mitgebracht habe, den Schaden beheben. So habe ich bei der Sitzschale, einige Metallschienen entfernt und hatte so schon mal das Grundmaterial. Ich brauchte aber Löcher in diesen Teilen, die ich mit meinem Werkzeug nicht fertigen konnte.

Glücklicherweise verfügte ich gerade über GPS und so konnte ich über das Navigationstool ein wenig die Umgebung erkunden und habe festgestellt, dass aus dem Weltall in ca. 4km Entfernung eine Art Behausung sichtbar ist. Ob diese bewohnt ist, wusste ich natürlich nicht. Nun, die Richtung, in welche ich marschieren muss, war also klar. Nun habe ich all mein Werkzeug und diese Metallteile eingesammelt und mich auf den Weg gemacht, zu Fuss. Immer in der Hoffnung, dass ein Auto vorbeifährt, das mich vielleicht ein Stück mitnehmen kann. Aber wie ich das so der Strasse entlang gehatscht bin, hat mich kein einziges Auto überholt. So wenig befahren ist die 92er. (Entsprechend aber auch diese Strasse, in einem schlechten Zustand).

Nach ca. 4km sah ich dann schon das Dach, und ein kleiner Hund kam mir entgegen, der mich anbellte. Aha, da ist Leben! Eine ältere Frau kam mir dann entgegen und ich fragte mich schon wie ich ihr verständlich machen konnte, und ob sie verstehen würde, dass dieser Fremde in guten Absichten kommt und nur Werkzeug braucht um zwei Löcher in zwei Metallteile zu machen. Wohl hat mir Pfingsten geholfen die Sprachbarrieren zu überwinden und sie führte mich ins Haus, zu einem hoch betagten Mann, der nur mit dem Kopf nickte, und mir zu verstehen gab, dass wir das schon schaffen würden.

 

Ich durfte in seiner Werkzeugkiste kramen und habe dort einen Bohrer gefunden. Mit diesem konnte ich fix zwei Löcher bohren und war schon bald wieder auf dem Weg zurück zu meinem Gefährt. Dort war dann auch schnell das Rad wieder montiert und ich war wieder fahrtüchtig. Das Problem, war dann also doch nicht so schlimm, wie ich es mir zuerst ausgemalt hatte.

 

Auf 3 Dinge, kann man sich in Norwegen wirklich verlassen.

1. Die Menschen sind so unheimlich lieb und hilfsbereit.

2. Die Strassen, sind kontinuierlich voller Löcher. (So das auch mit einer langsamen und bedachten Fahrweise, dieser Defekt vorprogrammiert war.)

3. Norwegen ist teuer. So dass man sich eigentlich nur Wasser und Brot leisten kann. (Das war ein Spass, es ist schon teuer, aber ich habe mir halt doch hie und da den Luxus von etwas mehr geleistet.)

 

Hätte ich aber diesen Defekt und die Verzögerung nicht gehabt, dann wäre ich nicht auf Thomas aus Deutschland getroffen. Und nachdem ich ihm von meiner Reise, der Hilfsorganisation Noma die ich unterstütze und natürlich von meiner grösseren Panne heute erzählte, berichtete er mir freudig von seinem spannenden Projekt. Thomas ist nämlich mit seiner „Zauberfidel“ und dem Fahrrad unterwegs. Die „Zauberfiedel“ geht auf Reisen heisst sein Plan und er begeistert Kinder für das Musizieren und Geige spielen. Thomas ist Musiker, Lehrer und leidenschaftlicher Geigenspieler. Seit vielen Jahren arbeitet er mit Kindern und Jugendlichen und bringt mit seiner Geige Musik in Klassenzimmer und Kindergärten, zuerst in Deutschland, nun reist die Geige in die Welt hinaus.

 

Von Dessau aus ist er (mit dem Fahrrad notabene) nach Schweden und Norwegen gereist und besucht dabei verschiedene Schulen, um dort für und mit Kindern zu musizieren. Die Kinder erleben gemeinsam mit Thomas und seiner Geige ein musikalisches Märchen und das Wunderbare daran: die Kinder können am Ende selbst auf der Geige spielen! Welch‘ zauberhafte Idee und welche wundervolles Projekt, den Kindern Musik mitzubringen. Zudem konnte er mir gute Ratschläge geben, welche Kirchen auf meinem Weg ich unbedingt besuchen soll.

 

Ach, wie ist es schön, wenn ich an einem schwierigen Tag, auf solch fabelhafte Menschen treffe.

 

Jetzt wo es wieder wärmer ist, merke ich, dass der Körper, der sich doch ständig kühlen muss, mehr Energie benötigt und ich etwas essen muss. Ich bin jetzt vom heutigen Tag doch recht erschöpft und müde. Morgen werde ich dann die letzten 40 km bis an die Grenze in Angriff nehmen, und hoffe darauf, dass ich in Finnland und später in Schweden, nicht mehr so arg durchgerüttelt werde. Wie schon angesprochen, ist die Sorge, dass mir das Velomobil irgendwann auseinanderbricht, nachdem ich das Nordkap erreicht habe, nicht mehr ganz so gross. Aber es wäre mir schon schwer, wenn ich mich von meinem so lieb gewonnenen Velomobil irgendwo trennen müsste. Ich werde also, sobald ich irgendwo die Möglichkeit habe, auch beim rechten Rad, eine Verstärkung einbauen und in der Zwischenzeit weiterhin vorsichtig über oder um die Löcher herum fahren.

Jetzt habe ich aber zumindest wieder flacheres Land vor mir.

 

Ich wünsche Euch allen, schöne Pfingsten.

 

Nachtrag Mona 09.06.14: Hier noch der Link zu Thomas' Website und seinem Reiseblog. Leider geht es Thomas gesundheitlich gerade nicht so gut und er befürchtet seine Tour abbrechen zu müssen.

 

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