Spontane Entscheidung

Tschüss Schweden
Tschüss Schweden

In Schweden hat man sich schon am Freitag auf die grossen Feierlichkeiten zum Mittsommerfest "Midsommar" vorbereitet und obwohl der Freitag kein offizieller Feiertag ist, haben die meisten Geschäfte, Läden und Tankstellen bereits geschlossen und die Bewohner der grossen Städte pilgern zu den Feierlichkeiten auf das Land. Es ist das zweitgrösste Fest des Jahres (nach Weihnachten) und die meisten Schweden feiern es mit Verwandten, Freunden und Nachbarn. Am Mittsommertag bleibt die schwedische Flagge oft über Nacht gehisst, die sonst zu Sonnenuntergang eingeholt werden sollte.

 

Für mich bedeutete dieser Feiertag aber, dass es schwierig war, auch nur eine Flasche Wasser zu bekommen, weil buchstäblich alles dicht war. Zudem war gerade mein wöchentliches Internet-Zugangs-und-Telefon-Kontingent verbraucht, und erst montags kann dies wieder aufgeladen werden. Meine Futter-Reserven schwanden also, genau wie die Kontakte zur Heimat.

Ich weiss nicht, ob ich in diesem Zusammenhang eine sehr spontane Entscheidung getroffen habe, oder was wirklich der Auslöser war? Als ich mich in Göteborg am Fährhafen, nach den verschiedenen Möglichkeiten nach Dänemark überzusetzen erkundigte, wurden mir als Anlaufhafen, nicht nur Frederikshavn genannt, sondern auch Kiel. Und einer spontanen Eingebung folgend, habe ich einfach Kiel gesagt und mir ein Ticket für die 14 Stunden dauernde Überfahrt auf der Nachtfähre gekauft.

 

Die nette Dame des Fährbüros, hat mir dann die Duschen zur Verfügung gestellt, die sonst die Kraftwagenfahrer nutzen. Und so duschte ich ausgiebig, zog mir ein Hemd und die Hosen, die den Städten vorbehalten waren, an und verwandelte mich,… tja, in was eigentlich?

 

Und wie ich dann so auf dem grossen Schiff und unter so vielen Menschen war, fühlte ich mich gar nicht richtig wohl. Natürlich kam man mit dem einen oder anderen in ein schönes Gespräch. Ich merkte aber bald, dass ich mir so sauber und wohlriechend, und in der zivilisierten Aufmachung, von meiner Tour erzählend, selber komisch vorkam. Es war, als ob die anderen Klamotten, aus mir einen anderen Menschen machten und als hätte ich die ganze Reise, die Anstrengungen, die Erfolge, die Pannen und Schwierigkeiten nur erträumt. Und so kamen mir meine Erzählungen prahlerisch vor, wenig glaubhaft und einfach nicht authentisch. Ja, ich konnte mir schon selber fast nicht glauben. Und so habe ich kaum etwas davon erzählt.

Ähnlich erging es mir in der kleinen Schlafkabine, mit all ihrem „Luxus“. Natürlich ist es nett, eine Dusche, eine Toilette und ein weiss bezogenes Bett zu haben. Aber in meiner bescheidenen Velomobil-Behausung, irgendwo stehen zu bleiben wo es mir gerade gefällt, ist es eben doch schöner. Die Mitternachtssonne, die zu meiner Luke hineinscheint, die schönen Plätze die ich gefunden habe, die Geräusche der weissen Nächte, das Summen der Insekten und die Gerüche, der abgekühlten Luft, ja auch die Einsamkeit,… Da fühlte ich mich bei meinen lieben Rentieren und in der Wildnis doch besser, als hier auf diesem dröhnenden und stampfenden Schiff, das so voller Menschen ist. Ja, in der Einsamkeit ging es mir wirklich besser.

 

Ok, aber so eine Schiffsreise war auch eine nette Abwechslung, das muss ich schon sagen. Und natürlich ist es spannend, sich auch mal länger auf so einer grossen Fähre umzutun und alles genau zu beobachten. Und nun konnte ich mal vom Schiff herunterwinken und die Leute grüssen, an denen wir vorbeizogen. So wie man mir vor allem in den Lofoten immer zugewinkt hat.

 

Ich habe also eine ganz schöne Kurskorrektur gemacht und Dänemark einfach schnell in 14 Stunden „umfahren“. Auch schon über der Elbe bin ich nun bereits und auf der „Glücks(städter)strasse“. Im Nachhinein tut es mir ein wenig leid, denn im flachen Land, wie es in Dänemark gewesen wäre, geht mir das Fahren gut. Aber es ist jetzt nicht mehr zu ändern und jetzt freue ich mich einfach auf Holland. Und ich bin froh, wieder in meinen Strampelklamotten zu sein, in meinem Velomobil zu sitzen und mit eigener Kraft vorwärts zu kommen. Und dass gerade eine Entenmutter mit ihren Küken vor mir her watschelt, erinnert mich an Nordnorwegen, wo die Rentier damals vor mir her getrampelt sind,… und fühle mich wieder glücklich.

 

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